
Minischweine sind klug Tiere, sogar intelligenter als Hunde. Wenn sie Lust haben, lernen sie Befehle wie "Sitz", "Platz" und "gib Huf". Eignen sie sich aber auch als Haustiere?
Entgegen der landläufigen Meinung stinken Schweine nicht, und sie werden problemlos stubenrein. Ein gut erzogenes Minischwein ist ein freundliches und sanftes Tier mit einer starken, individuellen Persönlichkeit. Es erzählt seinem Besitzer grunzend was es erlebt hat und was es von den Geschehnissen des Tages hält. Es zeigt seine Zuneigung und sucht immer die Nähe des Besitzers.
Dennoch muss die Anschaffung sehr, sehr gut überlegt sein. Jörg Kipka, 1. Vorsitzende der Schweinefreunde e. V., want: „Die artgerechte Haltung von Minischweinen ist besonders aufwändig. Durch den Erkundungsdrang und dem ausgeprägten Spieltrieb wird die häusliche Ordnung erheblich gestört.“ Schweine sind nämlich unternehmungslustig und suchen ständig nach Beschäftigung. Wühlen steckt ihnen im Blut. Sie wühlen ständig und überall und untersuchen alles mit dem Rüssel – drinnen wie draußen. In der Wohnung öffnen sie Schubladen und verteilen den Inhalt auf dem Boden, ziehen Tischdecken mit dem Abendessen vom Tisch herunter, leeren Taschen und Bücherregale, schieben Tische und Stühle durchs Zimmer.
Der Garten ist in kürzester Zeit umgegraben
Ebenso im Garten: Der wird innerhalb kürzester Zeit umgestaltet, ja geradezu umgepflügt. Wer einen Garten mit Blumenbeeten liebt, wer gerne auf der Wiese liegt oder Gemüse züchtet, wird an einem Schwein keine Freude haben. Das Schwein hingegen wird Ihren Garten lieben. Es ist vernarrt in sein Reich, in dem es jeden Grasbüschel, jede Blume gefressen und jeden Stein mehrmals umgedreht hat. Aus Stroh baut es sich ein Nest, faulenzt in der Sonne und wälzt sich in der Suhle. Danach ein Nickerchen im Schatten und Kuscheln mit dem Besitzer.
Der Wühltrieb lässt sich nicht unterbinden. Dr. habil. Bodo Busch von der tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) erklärt dazu: „Alle Schweine stammen von der Spezies Wildschwein ab. Die genetische Grundlage bleibt auch bei Minischweinen erhalten.“ Dies macht sich zum Beispiel auch beim Gewicht bemerkbar: Es gibt zwar durchaus Minischweine, die nur 30 Kilo wiegen, aber in der Regel bringen sie zwischen 60 und 80 Kilo auf die Waage. Als Minischweine gelten Tiere bis 120 Kilo. Aber warum differiert bei Minischweinen das Gewicht so erheblich? Grund ist der fehlende Rassestandard, denn Minischweine wurden ursprünglich fürs Labour entwickelt.
„Vor 50 Jahren wurde begonnen, kleine Schweine zu züchten, die für Tierversuche eingesetzt werden sollten. Kleinere Schweine brauchen weniger Futter und weniger Platz“, erklärt Dr. Busch von der TVT. Die heutigen Minischweine sind Kreuzungen aus den Labortieren und verschiedenen anderen Schweinerassen. Darum lässt sich nicht voraussagen, wie groß ein Schwein einmal wird. Das Alter lässt sich hingegen festlegen: bis zu 15 Jahre.
Jedes Schwein will Anführer werden
Die genetischen Grundlagen spiegeln sich auch im sozialen Verhalten der Tiere wieder. Für das Minischwein ist die Menschenfamilie die Rotte. „Wie bei Hunden gibt es auch unter Schweinen eine Hierarchie innerhalb der Gruppe. Schweine können mitunter recht rabiat vorgehen, wenn es darum geht, den Posten des Anführers zu ergattern“, erklärt Jörg Kipka.
Eine Minischweinbesitzerin berichtet: „Unser Peter fängt an, uns zu tyrannisieren. Er beißt plötzlich, wenn man ihn streicheln will. Jedesmal, wenn man an ihm vorbei geht, muss man Angst haben, dass er schnappt. Das ist ein großes Problem, wenn wir Besuch haben.“
Ein Eber verschafft sich Respekt, indem er nach seinem Widersacher schnappt oder ihn heftig stößt. Das ist ziemlich bedrohlich, besonders dann, wenn das Tier doppelt so viel wiegt, wie sein Besitzer. Die Rangordnung wird stets aufs Neue ausgefochten, was dem natürlichen Verhalten entspricht: Das Schwein agiert in dem Bestreben, seinen Platz in der Hierarchie zu festigen oder zu verbessern.
Unter welchen Voraussetzungen kann also ein Minischwein überhaupt als Heimtier gehalten werden? Zuerst einmal ist von der Einzelhaltung abzuraten. Schweine sind gesellige Tiere und geben sich ab einem gewissen Alter nicht mehr mit Menschen als Rottenangehörige zufrieden. Ohne Artgenossen langweilen sie sich, verkümmert seelisch und werden aggressiv.
Eine reine Wohnungshaltung ist nicht möglich. Das Tier braucht ein Außengehege mit Naturboden oder Rindenmulch zum Wühlen. Eine gesicherte Umzäunung hindert es daran, bei den Nachbarn vorbeizuschauen. Für kalte Nächte möchte es eine Hütte mit viel Stroh. Das Stroh platziert das Tier selbst an die Stelle, die es als geeignet betrachtet. Es pflückt Büsche und Gräser hinzu, um das Nest nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
Da Schweine nicht schwitzen können und schnell einen Hitzschlag bekommen, brauchen sie im Sommer einen Schattenplatz und eine Suhle. Die Suhle verschafft Abkühlung und dient der Körperpflege. Einen Baum oder dicken Holzpfahl braucht es zum ausgiebigem Scheuern und Kratzen.
Die ersten drei Jahre sind die schwersten
Ganz entscheidend ist eine konsequente Erziehung, liebevoll wohlgemerkt. Ein Schwein vergisst nie, wer es einmal misshandelt hat. Von Anfang an muss dem Tier klar gemacht werden, dass der Mensch das Leittier ist. Während der ersten zwei bis drei Lebensjahre wird es immer wieder versuchen, dem Besitzer den Rang als Rottenführer streitig zu machen. Ein Minischwein nutzt jede Inkonsequenz des Halters gnadenlos aus. Wer nicht entschieden handelt, bekommt einen Haustyrannen, der seine Menschen derbe und grob behandelt. Wer aber viel Zeit, Zuneigung und entschiedenes Auftreten aufbringt erhält einen treuen Begleiter.
„Mein Minischwein ist so vernarrt in mich, dass es mir überall nachläuft, nichts kann es aufhalten, kein Zaun, keine Mauer“, sagt eine Minischweinbesitzerin. Die starke, aber schwierige Persönlichkeit macht das Minischwein zu etwas Besonderem. Es behält immer sein Ego. Es wird nie unterwürfig wie ein Hund oder erhaben wie eine Katze. Sein Charakter ist eher mit dem des Menschen vergleichbar: intelligent, sozial und kommunikativ, aber mit einem sturen Dickschädel.
Myriam F. Goetz
Anforderung an die Haltung:
- Keine Einzelhaltung
- Keine reine Wohnungshaltung
- ausreichend großer Auslauf, ausbruchsicher
- Naturboden oder Rindenmulch zum Wühlen
- Schattenplatz und Suhle
- Stall mit viel Stroh
- Baumstamm zum Scheuern
Bestimmungen des Tierseuchengesetztes:
- Meldung beim Amtsveterinär
- Meldepflicht bei Verdacht oder Ausbruch anzeigepflichtiger Tierseuchen
- Meldung bei der Tierseuchenkassen
- Kennzeichnung mit einer Ohrmarke
- Führen eines Bestandsbuchs
- Kein Verfüttern von Speiseabfällen (Seuchengefahr)